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Queere Menschen am Arbeitsplatz weiterhin unter Druck

Heute, 03:01 · Lesedauer 5 min

Den "Pride Month" Juni nutzen LGBTIQ+-Organisationen jedes Jahr, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Im Gespräch mit der APA schildern die Gleichbehandlungsanwaltschaft und Vertreter von Pride Biz Austria Schwierigkeiten, denen queere Menschen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Von der Bundesregierung fordern sie Diskriminierungsschutz auch im Privaten. Der Pride Monat sei ein wichtiges Zeichen, nur im Juni die Firmenlogos umzufärben, aber zu wenig.

Spricht man darüber, inwiefern sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz überhaupt relevant ist, kommt oft das Argument: "Ist das nicht Privatsache?". Aber: "Heterosexuelle Menschen machen sich nie Gedanken darüber, ob sie von ihrem Privatleben, ihrer Familie, ihrer Frau oder Mann erzählen können. Ganz implizit outen sie sich täglich", so Astrid Weinwurm-Wilhelm, Präsidentin der Queer Business Women, einer Organisation, die gemeinsam mit den Austrian Gay Professionals den Dachverband Pride Biz Austria für LGBTIQ+ in der Wirtschafts- und Arbeitswelt initiiert hat.

Nur rund ein Viertel der Community sei am Arbeitsplatz geoutet. Alle anderen könnten oft schon auf Fragen wie "Mit wem hast du das Wochenende oder mit wem hast du den Urlaub verbracht?" nicht die Wahrheit sagen. "Es fehlt dieser soziale Kit, der für die gute Interaktion, für die gute Zusammenarbeit notwendig ist", so Weinwurm-Wilhelm. Das könne sich auch auf die weitere Karriere auswirken. "Wir können nur dann gute Leistungen erbringen und gut zusammenarbeiten, wenn wir mit unserem 'whole true self' wie es so schön heißt, anwesend sind". Ein spätes Outing könne wiederum die Frage nach sich ziehen, "was ist eigentlich wahr, was du uns bis jetzt erzählt hast?". "Man kann es eigentlich nicht richtig machen", so ihr Fazit.

Von Arbeitgebern erwartet sich auch Sandra Konstatzky, Leiterin der GAW, Unterstützung queerer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Insbesondere Transpersonen würden häufig vor oder während ihrer Transition den Job kündigen oder entlassen werden, und dann erst nach langer Arbeitssuche wieder einen finden. Dem Arbeitsmarkt würden dadurch oft wichtige Fachkräfte abhandenkommen.

"Wir wissen aus Studien, dass divers zusammengesetzte Teams innovativere und kreativere Lösungen bringen. Alleine das ist ein wichtiger Grund, um zu sagen: Schauen wir, dass wir nicht nur Mini-Mes rekrutieren", betonte auch Weinwurm-Wilhelm. Das werde aber von Arbeitnehmern mittlerweile auch gefordert: "Egal ob die Person selber aus der LGBTQ-Community ist. Also auch ein gut ausgebildeter junger heterosexueller Mann, der Teil der Mehrheitsgesellschaft ist, auch der erwartet ein diversitätsorientiertes Arbeitsumfeld, selbst wenn er unter Anführungszeichen nicht betroffen ist von Diskriminierungsgefahr", betonte Stefan Grampelhuber von der AGPRO.

Privatbereich nach wie vor ungeschützt

Anders als am Arbeitsplatz kann man gegen eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, etwa beim Frisör, im Restaurant oder einem Hotel, nicht rechtlich vorgehen. "Völlig absurd", urteilt Konstatzky. Gegeben ist der Schutz wiederum in all den Bereichen, für die die Länder zuständig sind. Eine undurchsichtige Situation, in der Betroffene oftmals nicht wissen, ob es eine rechtliche Handhabe gibt oder nicht. In beiden Fällen können sich von Diskriminierung Betroffene unter https://www.formularservice.gv.at bei der GAW melden.

Der Schutz im Privatbereich, das sogenannte "Levelling-Up", gilt seit Jahrzehnten als eine der größten Forderungen der LGBTIQ-Community und ist in den meisten EU-Staaten gegeben. Anders als etwa ein Verbot von Konversionstherapien, das Organisationen seit langem fordern, steht das Levelling-Up aber nicht im schwarz-rot-pinken Regierungsprogramm.

GAW erwartet Einbindung in Aktionsplan

Hoffnung hat Konstatzky dennoch. Der im März angekündigte Nationale Aktionsplan gegen Hasskriminalität könnte "als Hebel dienen, das noch mal genau zu überdenken". Sie geht davon aus, dass neben Selbstvertretungsorganisationen auch die GAW in die Erstellung des Aktionsplans eingebunden werde, und "wir werden die Evaluierung jedenfalls einfordern". Der Aktionsplan an sich sei sehr begrüßenswert, denn: "Es fängt ja nicht bei einem Hate-Crime an. Es fängt bei der Belästigung am Arbeitsplatz oder auf der Straße an. Ich muss dort ansetzen, wo die erste Diskriminierung passiert". Positiv sehen die drei ein eigenes Zentrum für Transmedizin, dessen Errichtung laut Koalitionspapier der rot-pinken Wiener Stadtregierung geprüft werden soll.

Sorge um weltweite Entwicklung

Für Sorge sorgen bei ihnen Rückschritte bei LGBTIQ+-Rechten vielerorts, sei es in den USA, Polen oder Ungarn. "Viele Unternehmen und Konzerne haben ihre Diversity-Programme stark zurückgefahren, gerade im Bereich LGBTIQ. Und das ist natürlich eine schmerzhafte Sache, weil wir dadurch Verbündete verlieren", kritisierte Grampelhuber. Das führe bei vielen Arbeitnehmern zu einer Verunsicherung. "Das beginnt damit, dass Mitarbeiter:innen gewisse Begriffe in der Kommunikation nach außen nicht mehr verwendet dürfen, zum Beispiel bestimmte Hashtags in den Sozialen Medien. Und es kann im schlimmsten Fall so weit gehen, dass die Chefetage Budgets für derartige Programme komplett streicht. Besonders bitter ist das für Personen, die sich in Unternehmen - oft über Jahre hinweg - für mehr Offenheit und Inklusion tatkräftig eingesetzt haben."

Vor einem Klima wie in Ungarn warnte auch Weinwurm-Wilhelm: "Ich hoffe schon, dass wir resilient sind, aber vielleicht ist es auch naiv, das zu glauben". Zwar gebe es Gesetze, die Realität sähe aber oft anders aus: "Wir haben Wiederbetätigungsverbot und trotzdem gibt es Wiederbetätigung und wir haben Diskriminierungsschutz zumindest am Arbeitsplatz und trotzdem gibt es Diskriminierung."

Allyship gefragt

Umso wichtiger sei das "Allyship", die Unterstützung (Ally = engl. Verbündeter) der Mehrheitsgesellschaft. "Dass die dahinterstehen und sagen, es ist wichtig, dass du das leben kannst im Job, so wie du bist. Und auch in der Gesellschaft, auch beim Zugang zu Hotelzimmern oder Taxifahrten", betonte Grampelhuber.

Veranstaltungen wie die Pride seien wichtig, um auf die Anliegen der Community aufmerksam zu machen. "Wir plädieren aber stark dafür, in allen Monaten des Jahres was zu machen", sagte Weinwurm-Wilhelm."Im Juni etwas zu machen ist schon wichtig. Ausschließlich im Juni etwas zu machen ist Pinkwashing. Das Logo umfärben mit Regenbogenfarben ist nicht mehr ausreichend."

Zusammenfassung
  • Nur rund ein Viertel der LGBTIQ+-Community in Österreich ist am Arbeitsplatz offen geoutet, während der Großteil aus Angst vor Diskriminierung private Details verschweigt.
  • Der Diskriminierungsschutz gilt derzeit nur im Arbeitsumfeld, nicht aber im Privatbereich wie etwa beim Zugang zu Dienstleistungen, was von Vertreterinnen und Vertretern als 'völlig absurd' kritisiert wird.
  • Insbesondere Transpersonen erleben häufig Kündigungen oder verlassen ihren Job während oder vor der Transition, wodurch dem Arbeitsmarkt wichtige Fachkräfte verloren gehen.
  • Studien zeigen, dass divers zusammengesetzte Teams innovativere und kreativere Lösungen bringen, weshalb auch heterosexuelle Arbeitnehmer zunehmend ein diverses Arbeitsumfeld fordern.
  • Die Community fordert eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf den Privatbereich (Levelling-Up) sowie nachhaltiges Engagement der Unternehmen über den Pride Month hinaus, da reine Symbolik wie das Umfärben von Firmenlogos nicht ausreicht.