"Wiener" Plateosaurus nutzte vermutlich Schwanz als Peitsche
Bei heutigen Reptilien lässt sich der Einsatz des Schwanzes als Verteidigungswerkzeug vielfach beobachten - so etwa beim asiatischen Bindenwaran (Varanus salvator) oder dem Grünen Leguan (Iguana iguana). Wie lange die Tiere sich schon derart zur Wehr setzen, lässt sich klarerweise schwer direkt beantworten. Während aber Vertreter der Dinosaurier, wie der Ankylosaurus mit seiner massiven Schwanzkeule, ziemlich offensichtlich anatomisch darauf ausgelegt waren, ist dies bei vielen anderen Dinos weniger klar ersichtlich.
Beim Plateosaurus fehlt eine solche offensichtliche Verhärtung des Schwanzes genauso wie Knochenpanzer oder Hörner. Ebenso gibt es keine Hinweise darauf, dass die Tiere ihren Fressfeinden etwa besonders schnell davonlaufen konnten. Im Gegenteil: Plateosaurus trossingensis war ein bis zu acht Meter langer, vermutlich eher behäbiger Pflanzenfresser, der während der Trias-Zeit lebte. Er gilt als Vorläufer der riesigen Sauropoden, den größten Landtieren, die jemals die Erde besiedelten. Mit seinem Auftreten vor rund 235 Millionen Jahren ist er einer der frühesten Vertreter der Dinosaurier und steht eher nicht im Verdacht, besonders gut zu Fuß gewesen zu sein.
Dass er natürlich im Fokus von einstigen Fleischfressern stand, zeigt auch ein 17 Millimeter großer, ausgebrochener Zahn eines Räubers, der sich in einem Knochen jenes Exemplares fand, dessen Knochen vom Sauriermuseum Frick (Schweiz) an das NHM weitergegeben und in der Folge aufwendig präpariert wurden. Während der vermutlich nach dem Tod des wahrscheinlich im Morast versunkenen Tieres von Fressfeinden verschleppte Kopf fehlte, habe man es hier mit einem der vollständigsten Knochensätze einer Plateosaurus-Schwanzwirbelsäule zu tun, schreiben die Studienautoren um die Wirbeltier-Paläontologin Ursula Göhlich vom NHM sowie den Paläontologen und Erstautor Thomas Filek von der Universität Wien und der Universität für Bodenkultur (Boku) in ihrer Arbeit.
Vergleiche mit lebenden und ausgestorbenen Reptilien
Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter nahmen das Verhalten und die Anatomie des Bindenwarans und des Grünen Leguans als Grundlage für ihre Berechnungen zur Kraft, die der Dino aufwenden konnte. "Wir konnten zeigen, dass die Schwanzspitze Schläge mit bis zu 1,6 Kilojoule und ein rekonstruierter vollständiger Schwanz Schläge mit bis zu rund 174 Kilojoule kinetischer Energie hätte ausführen können", wird Filek in einer Aussendung zitiert.
Im Vergleich mit Diplodocus - einem vor rund 160 Mio. Jahren lebenden riesigen Sauropoden mit bis zu 27 Metern Länge und sehr langem Schwanz - war der hintere Körperfortsatz des Plateosaurus anders gestaltet. So hatte Diplodocus eine relativ schlanke, relativ lange zusätzliche Schwanz-Verlängerung. Forscher gehen davon aus, dass er dieses Schwanzende so schnell bewegen konnte, dass ein Überschallknall zu hören war. Das traut man Plateosaurus trossingensis auf Basis seiner Anatomie nicht zu - wohl aber ein recht schmerzhaftes, langsameres Zuschlagen ohne Überschallknall, das kleine oder mittelgroße Fleischfresser durchaus verletzen und abschrecken konnte. Bei Plateosaurus könnte das Schwanzschlagen etwa bei Jungtieren eine größere Rolle gespielt haben, deren schiere Körpergröße noch nicht abschreckend genug war.
(S E R V I C E - https://doi.org/10.1098/rsos.250325)
Zusammenfassung
- Ein Forschungsteam hat die Anatomie des 210 Millionen Jahre alten Plateosaurus trossingensis untersucht, dessen Überreste seit 2021 im Naturhistorischen Museum Wien ausgestellt sind.
- Die Wissenschaftler berechneten, dass die Schwanzspitze Schläge mit bis zu 1,6 Kilojoule und der vollständige Schwanz mit bis zu 174 Kilojoule kinetischer Energie gegen Fressfeinde ausführen konnte.
- Im Gegensatz zu anderen Dinosauriern hatte Plateosaurus keine Schwanzkeule oder Panzerung, aber sein Schwanz konnte kleine bis mittelgroße Fleischfresser mit schmerzhaften Schlägen abschrecken.